Juristische Praxis sieht in der Musterfeststellungsklage keine Lösung
der bestehenden Rechtsungleichheit
– Juristen-Verband in Gründung lädt zum Dialog ein, will Zivilgesellschaft stärken
– Konzerne schädigen Umwelt und Verbraucher ohne Konsequenzen
– Die Politik stellt Unternehmensinteressen vor Bürgerinteressen
– Deutschland braucht kollektiven Rechtsschutz und Unternehmensstrafrecht
Berlin, 17. Mai 2018 – Der in Gründung befindliche Bundesverband Anleger- und
Verbraucherrecht e.V. (BAV e.V.i.G.) wendet sich entschieden gegen die
Ausgestaltung der Musterfeststellungsklage im heute vom Kabinett verabschiedeten
Gesetzesentwurf. So sind besonders die hohen Anforderungen an die Klagebefugnis
der qualifizierten Einrichtungen eine für den Verbraucher nachteilige Anforderung, da
sie die Anzahl von qualifizierten Einrichtungen auf ein Minimum begrenzt und dadurch
die Rechtsdurchsetzung aufgrund fehlender Ressourcen erheblich mindert. Der BAV
e.V.i.G ist ein Zusammenschluss von Juristen und Akademikern, der sich die Stärkung
der Zivilgesellschaft durch geeignete rechtliche Instrumente, wie etwa echten
Sammelklagen und einem Unternehmensstrafrecht, zum Ziel gemacht hat. Dabei will
man mit Experten aller Fachrichtungen in den Dialog treten, um die bestehende
Rechtsungleichheit zwischen Bürger und Wirtschaft abzubauen.
Die im Verband sich organisierenden Praktiker sehen eine zunehmende Machtverschiebung
zugunsten großer Unternehmen, wie sich sehr gut am Beispiel des Dieselskandals und dem
Verhalten des Volkswagen-Vorstandes ablesen lässt. Es ist nicht weiter hinnehmbar, dass
Konzerne im kollusiven Verhalten mit Politik und Behörden (z.B. dem Kraftfahrt-Bundesamt)
Umwelt, Bürgern und Anlegern massive Schäden zufügen, ohne dafür in irgendeiner Form
haftbar gemacht werden. Aus diesem Grund möchte der BAV e.V.i.G., auch in
Zusammenarbeit mit anderen interessierten Bürger- und Verbraucherorganisationen,
politische und rechtliche Lösungen erarbeiten, die eine echte Verbesserung der derzeit
asymmetrischen Machtverhältnisse zwischen Konzernen und dem einzelnen Bürger bringen.
Zu solchen Lösungen gehören zweifelsfrei Sammelklagen, die jedoch ohne die in den USA
üblichen Begleiterscheinungen wie Strafschadensersatz einzuführen wären. Ein geeigneter
Gesetzentwurf wurde dazu bereits von der Bundestagsfraktion der Grünen eingebracht,
welcher vom BAV e.V.i.G. unterstützt wird.
Im vom Kabinett verabschiedeten Gesetzentwurf sind die Anforderungen an die Klage-
befugnis von qualifizierten Einrichtungen derart hoch angesetzt worden, dass nur noch
einige wenige Verbraucherorganisationen befugt sein werden, überhaupt
Musterfeststellungsklagen durchzuführen. Damit haben sich die Wirtschaftsverbände mit
ihren Warnungen vor einer sog. “Klageindustrie” durchgesetzt und das Interesse von
Verbrauchern an effektivem Rechtsschutz unverhältnismäßig stark eingeschränkt.
Ursprünglich sollten Musterklagen solchen qualifizierten Einrichtungen offenstehen, die auch
eine Unterlassungsklage einreichen dürfen. Klagebefugt wären gem. § 4 UKlaG demnach
Institutionen, die bei Klageerhebung etwa mindestens 75 stimmberechtigte Mitglieder haben.
Nun aber, so die Vereinbarung zwischen SPD und Union, sollen klageberechtigte Verbände
mindestens 350 Mitglieder oder als Dachverband mindestens zehn Mitgliedsverbände
vorweisen. Weitere Voraussetzungen, wie das Bestehen der Klagebefugnis seit vier Jahren
vor Klagerhebung, engen den Kreis der befugten Verbände auf ein Minimum ein. Dadurch
wird die Musterfeststellungsklage als Instrument des kollektiven Rechtsschutzes nahezu
wirkungslos, denn nur sehr wenige Klagen werden sich so initiieren lassen. Gänzlich offen
bleiben Fragen nach der Qualität der rechtlichen Vertretung, die ohne spezialisierte
Rechtsanwälte kaum gegeben sein wird. Überdies stellt sich auch die Frage nach der
Zulässigkeit der Abtrennung solcher Musterverfahren von der Anwaltschaft. In der
gegenwärtigen Fassung sind weder Rechtsberatungs- noch Rechtsdienstleistungs-
qualifikationen der Verbraucherorganisationen vorgesehen.
Die Musterfeststellungsklage war inhaltlich nie ein großer Wurf, da sie lediglich zu einem
Feststellungsurteil führt, und nicht zu Schadensersatz. Dieser müsste gesondert eingeklagt
werden. Besser wäre eine einphasige Klage, die auch auf eine Ausgleichsleistung zielt, so
wie von vielen Rechtsexperten gefordert und sie gegenwärtig auch in der Schweiz und in
Österreich diskutiert wird. Auch in Belgien gibt es eine einheitliche Sammelklage. Damit
würde den Unternehmen endlich der Anreiz genommen, Umwelt und Gesellschaft
ungebremst zu schädigen.
“Um in Zukunft Manipulationen und Betrug von Konzernen zu verhindern, braucht
Deutschland bei den rechtlichen Konsequenzen wesentlich schärfere Schwerter. Dazu
gehören nach Auffassung der Gründer unseres neuen Verbandes zwingend echte
Sammelklagen sowie ein Unternehmensstrafrecht,” erläutert Dr. Wolfgang Schirp, einer der
Gründer des BAV e.V.i.G. “Der Umgang mit dem Dieselbetrug in anderen Ländern, speziell
in den USA, zeigt Deutschland wie es gehen sollte. Aber unsere Politiker stellen
ausnahmslos die Interessen großer Konzerne vor die Rechte der Bürger. Das muss sich
grundlegend ändern, dafür werden wir kämpfen,” ergänzt Mitgründer Dr. Reiner Fuellmich.
Pressekontakte:
Dr. Wolfgang Schirp
Kanzlei Schirp & Partner
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Informationen zum Bundesverband Anleger- und Verbraucherrecht e.V.i.G.:
Der BAV e.V. befindet sich derzeit in Gründung. Die Gründer sind Juristen aus Praxis und Lehre,
die in ganz Deutschland tätig sind. Der Schwerpunkt der ehrenamtlichen Arbeit des BAV wird
sein, Denkanstöße zu vermitteln für die Beendigung der Rechtsungleichheit zwischen Bürgern,
Anlegern und Verbrauchern auf der einen Seite, und großen Konzernen und Finanzinstituten auf
der anderen Seite. Der BAV e.V. wirbt bei Öffentlichkeit und Gesetzgeber für eine starke (und
wehrhafte) Zivilgesellschaft und lädt interessierte Dritte ein, auch Nichtjuristen, bei diesem Ziel
mitzuwirken.
Bundesverband Anleger- und Verbraucherrecht e.V.
(in Gründung)
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Sprecher:
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